Serena K. Fleites ist mittlerweile 19 Jahre alt. Sie ist obdachlos, war drogenabhängig und hatte schwere psychische Probleme. Als sie 14 Jahre alt war, sendete sie ihrem Schwarm auf seine Nachfrage hin ein Nacktvideo. Er leitete das Video an Klassenkamerad:innen weiter und es landete bei Pornhub. Nun ist Serena gebrandmarkt, sie wird die Aufnahmen nie wieder los.
Diese Geschichte ist kein Einzelfall, die New York Times suchte das Gespräch mit mehren Opfern von (digitaler) Gewalt und sexuellem Missbrauch. Zugleich erzählt ein ehemaliger Mindgeek-Moderator von den Sicherheitslücken der Internet-Plattformen. Nicholas Kristof berichtet von den Erkenntnissen seiner Recherche über die Schattenseiten der weltweit größten Pornografieplattform.
Pornhub gehört dem Unternehmen Mindgeek, dem auch viele weitere Porno-Websites gehören. Offiziell ansässig ist der Konzern in Luxemburg, geleitet wird er aus Montreal. Laut eigener Aussage hatte Pornhub im vergangenen Jahr täglich durchschnittlich 115 Millionen Webseiten-Besuche. Fast drei Milliarden Werbeeinblendungen pro Tag bescheren Pornhub Einnahmen, es steht auf Platz 10 der meist besuchten Websites weltweit.
Jährlich werden 6,8 Millionen Videos auf der Seite veröffentlicht, nach dem gleichen Prinzip wie bei YouTube: Nutzer:innen bestimmen den Ton. Die hochgeladenen Inhalte können von Community-Mitgliedern heruntergeladen werden. Werden sie auf Pornhub gelöscht, können sie schon längst von Nutzer:innen gespeichert worden sein. Weltweit seien es etwa nur 80 Mindgeek-Moderator:innen zum Kontrollieren aller hochgeladenen Inhalte, sagt ein ehemaliger Moderator im Gespräch mit Kristof.
Junge Darsteller:innen für mehr Profit
Moderator:innen von Mindgeek sollen zwar Inhalte mit Minderjährigen herausfiltern, jedoch profitiert das Business Model von Videos mit jungen Akteur:innen. Zudem sei es das Ziel der Moderator:innen, möglichst viel durchzulassen, um Einnahmen zu maximieren. Eine investigative Recherche von Vice über die Moderation bei xHamster zeigte, dass auch andere Porno-Websites lasch mit ihrer Verantwortung gegenüber der Sicherheit von dargestellten, teils minderjährigen Personen umgehen.
Kristof probierte innerhalb seiner Recherche verschiedene Suchbegriffe auf Pornhub aus: „r*pe“ ergibt 1.901 Treffer, „13yo“ ergibt 155.000, „girl with braces“ 1.913 und „exxxtra small teens“ wird ihm direkt als nächster Suchvorschlag geboten. Die meisten dieser Videos zeigten zwar nicht 13-Jährige, doch anhand dieser Sprache würden Pädophile angezogen.
Pornhub verweist darauf, dass die Internet Watch Foundation 118 gemeldete Fälle von Kindesmissbauchsdarstellungen auf Pornhub in einem Zeitraum von fast drei Jahren aufführt. Das National Center for Missing and Exploited Children erhielt über 20,6 Millionen und im Jahr 2019 über 69,2 Millionen Meldungen zu Videos und anderen Dateien im Internet. Dass der Internet Watch Foundation dem gegenüber nur wenige gemeldete Fälle auf Pornhub bekannt sind, könnte an Nutzer:innen der Plattform liegen, die verhältnismäßig kaum Inhalte melden.
Traffickinghub will gegen Kindesmisshandlung, Vergewaltigung und Gewalt auf Pornhub vorgehen. Die Petition fordert, die Plattform zu schließen. Zugleich macht die Aktion aufmerksam auf Erzählungen der Opfer von Misshandlungen, Vergewaltigung Minderjähriger und digitaler Gewalt in Verbindung mit Pornhub und weiteren Mindgeek-Websites. Traffickinghub veranschaulicht den Einfluss und die Macht von Pornhub und visualisiert diesbezüglich Vorwürfe, Skandale und Berichterstattungen.
Konsequenzen für und von Pornhub
Der Investor Bill Ackman rief Zahlungsdienstleister dazu auf, ihr Geschäftsverhältnis mit Pornhub zu beenden. Mittlerweile untersucht Mastercard die Vorwürfe, auch Visa kündigte mögliche Konsequenzen an. Paypal hatte die Zusammenarbeit mit Pornhub bereits 2019 aus anderen Gründen eingestellt.
Pornhub steht nun also nicht nur unter medialem, sondern auch möglichem finanziellem Druck. Kristof liefert drei Lösungsvorschläge zum Schutz der Opfer von sowohl digitaler, als auch analoger sexualisierter Gewalt. Nur noch verifizierte Nutzer:innen sollen zukünftig Videos posten können, die Download-Funktion soll abgeschafft und die Moderation verbessert werden.
Bei Pornhub sei nichts wichtiger als die Sicherheit der Community, schreibt die Plattform innerhalb ihrer Bekenntnis für Vertrauen und Sicherheit. Der Druck ist groß, Pornhub will die drei Vorschläge von Kristof sofort größtenteils umsetzen. Außerdem verweist die Plattform auf das seit November laufende „Trusted Flagger Program“, eine Kooperation mit 40 Organisationen im Bereich der Internet- und Kindersicherheit weltweit.
Die Partner haben direkten Zugang zum Moderator:innenteam und wenn ein Beitrag mit einer Vertrauensfahne gekennzeichnet ist, wird er umgehend deaktiviert. Zahlen über Kindesmissbrauch, unter anderem wieder auf Grundlage des National Center for Missing and Exploited Children, werden ebenfalls Anfang 2021 zur Verfügung gestellt.
Pornhub verspricht nun Transparenz – ein Transparenzbericht über die inhaltlichen Arbeitsschritte der Moderation ab 2020 soll erscheinen.
Update, 16.12.2020:
Pornhub hat inzwischen die ersten Vorhaben in die Tat umgesetzt. Laut Vice wurden mehrere Millionen Videos von der Plattform gelöscht. Pornhub lässt in einem Forumsbeitrag zudem verlauten, dass nur noch Content von verifizierten User:innen online sei: „This means every piece of Pornhub content is from verified uploaders, a requirement that platforms like Facebook, Instagram, TikTok, YouTube, Snapchat and Twitter have yet to institute.“ Pornhub brüstet sich mit den neuen Sicherheitsvorkehrungen und spricht weiterhin von nur 118 gemeldeten Fällen von Kindesmissbrauch innerhalb von drei Jahren. Die Plattform bedient sich demnach an den Vorschlägen von Kristof für mehr Sicherheit, geht aber nicht weiter auf seine Zweifel an der vergleichsweise niedrigen Zahl ein.
Pornhub sei zufällig in die mediale Aufmerksamkeit gelangt, schreiben Vertreter:innen in dem Statement. Es sei klar, dass Pornhub nicht wegen der Richtlinien ins Visier genommen wurde, sondern weil es eine Plattform für Erwachseneninhalte ist. Die beiden Gruppen, die die Kampagne gegen das Unternehmen angeführt haben, das National Center on Sexual Exploitation und TraffickingHub seien Organisationen, die sich für die Abschaffung von Pornografie, das Verbot von Material, das sie als obszön bezeichnen, und die Schließung von kommerzieller Sexarbeit einsetzen würden. Es seien dieselben Kräfte, die Playboy, das National Endowment for the Arts, Sexualerziehung, LGBTQ-Rechte, Frauenrechte und sogar die American Library Association verteufeln würden. Der Konflikt nimmt wohl vorerst kein Ende.
Zieht das wirklich Pädophile an? Sind damit nicht Neoterophilie gemeint. Schmälert natürlich nicht den Missbrauch, ist aber ein großer Unterschied. Aus der Beschreibung tritt das nicht eindeutig hervor.